Schweizerische Bundespolizei Taubenstrasse 16 3003 Bern Telefon 031/322 45 11 Telefax 031/322 98 76 I. Ref. U.Rf.: Dn/PK Bern, 5. August 1998 _Zugang zu strafbaren Inhalten auf dem Internet_ Sehr geehrter Herr Ramseier Wir haben am 23. Juli 1998 die Schweizer Internet Service Provider (ISP) auf einige gewaltextremistische bzw. rassistische Web-Sites aufmerksam gemacht und sie ersucht, eine allfaellige Sperrung dieser Sites aufmerksam zu pruefen. In Ihrem am 4. August bei der Bundespolizei eingegangenen Brief aeussern Sie sich kritisch zu diesem Vorgehen. Ihre Einwaende veranlassen uns zu folgenden Bemerkungen: - Die Bundespolizei hat als Staatsschutzbehoerde des Bundes unter anderem den Auftrag praeventiv (also bereits _vor_ dem Vorliegen einer strafrechtlich relevanten Handlung) Gewaltextremismus zu bekaempfen[1]. Die Orientierung der ISP erfolgte entsprechend ohne jede Strafandrohung. Die (auch im Usenet zu beobachtende) Beschraenkung der juristischen Diskussion allein auf die Strafrechtaspekte geht entsprechend fehl. - Wir erwarten von den ISP, dass sie die von ihnen zur Verfuegung stehenden Mittel nutzen, um solche gewaltextremistische Sites zu sperren. Selbstredend ist dabei das Verhaeltnismaessigkeitsprinzip zu beachten. So koennen die ISP nicht genoetigt werden, unverhaeltnismaessigen Aufwand zu betreiben. Problematisch erscheint in diesem Zusammenhang ebenfalls die Sperrung eines groesseren Hostservers wegen eines einzelnen Unterordners. Solche Massnahmen wurden von uns weder verlangt noch empfohlen. - Unser Ziel ist die Eindaemmung gewaltextremistischer Propaganda auch im Internet. Die Verbreitung solchen Gedankenguts soll moeglichst erschwert werden. Der Hinweis auf (bekannte) moegliche Umgehungsmoeglichkeiten kann uns hier nicht der Verantwortung entbinden. Uebrigens ist die Bekaempfung gewaltextremistischer Druckerzeugnisse ebenfalls nie lueckenlos, und trotzdem bezweifelt niemand ernsthaft die Sinnhaftigkeit dieser Gegenbestrebungen. - Wir stellen erfreut fest, dass unser Brief eine breite und vertiefte Diskussion ueber die technische Machbarkeit von Sperrungen im Internet entfacht hat. Zuvor waren hier seitens der ISP nur relativ lapidare Aeusserungen in der Bandbreite von "kein Problem - wir warten nur auf die Listen" bis zu "voellig unmoeglich" zu hoeren. Heute kann klar gesagt werden, dass Sperrungen (auch von Unterordnern) technisch durchaus moeglich snd, die Verhaeltnismaessigkeit der Massnahme aber im Einzelfall geprueft werden muss. - Den Vorwurf der Zensur nehmen wir sehr ernst. _Wir streben keine polizeiliche Kontrolle der direkten Meinungsaeusserungsfreiheit im Internet an._ Entsprechend haben wir uns auf wenige und staendige Angebote mit klar gewaltextremistischem Inhalt beschraenkt. Wir werden auch in Zukunft nur krasse Faelle mit ausgepraegtem Schweizer Bezug verfolgen. Von einer ISP-Zensur durch die Bundespolizei, die gar eine Gegenkampagne im Stile von Blue-Ribbon oder Red-Window auch nur ansatzweise rechtfertigen koennte, kann schlicht keine Rede sein. - Die meisten ISP haben freiwillig und ohne direkten Rechtszwang in ihrer Firmenpolicy festgelegt, dass sie keine rechtsextremen, antirassistischen [sic! - Simon] Inhalte verbreiten wollen. Das Echo auf unseren Rundbrief fiel daher insgesamt positiv aus; die grosse Mehrheit der ISP befuerwortet ein Vorgehen gegen solche Internet-Sites. Die aufgeworfenen Fragen technischer und rechtlicher Natur werden derzeit im gemeinsamen Gespraech geklaert. Wenn Sie also tatsaechlich der Meinung sind, dass rechtsextreme Propaganda "mit aller Haerte" zu bekaempfen sei, sollten Sie eigentlich das verhaeltnismaessige und punktuelle Vorgehen der Bundespolizei ebenfalls verstehen und mittragen koennen. Mit freundlichen Gruessen Der Chef der Bundespolizei U. von Daeniken _Kopie an:_ - c't - NZZ - Tagblatt der Stadt Zuerich - Tages-Anzeiger - SonntagsZeitung