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Entwurf für eine Definition des Begriffs „offener Standard“

Dies ist Version 0.5 vom 11.9.2009
Die jeweils aktuelle Version ist unter folgender URL verfügbar: http://siug.ch/ostandards/def
Autor: Norbert Bollow

Der Begriff „offener Standard“ braucht eine klare Definition.  Dabei müssen die Kriterien genügend strikt sein, um Lock-In Effekte wirksam zu verhindern.  Sonst wird die Forderung nach offenen Standards schnell wirkungslos: Es gibt Software-Anbieter, die so tun, als ob Beschreibungen ihrer proprietären Software-Lösungen offene Standards wären, auch wenn das Lock-In Problem weiterhin besteht.

Definitionsvorschlag:

Eine technische Spezifikation kann als offener Standard bezeichnet werden, wenn sie die folgenden sieben Kriterien alle erfüllt:

1. Gewährleistung eines breit abgestützen Prozesses, durch den der Standard weiterentwickelt werden kann, wenn dies nötig ist: Es muss gewährleistet sein, dass Weiterentwicklungen den Bedürfnissen aller Marktteilnehmer in angemessener Weise Rechnung tragen.

2. Die Anforderungen des Standards müssen präzise und genug strikt formuliert sein, um im Rahmen der Zielsetzungen des Standards Interoperabilität zu gewährleisten.

3. Der Standard muss technisch korrekt formuliert sein. (Wenn zu einem Dokument andauernd Korrekturen veröffentlicht werden müssen, kann das Dokument noch nicht als Standard betrachtet werden, auch wenn es von einer Standardisierungs-Organisation als „Standard“ verabschiedet wurde.)

4. Der Standard ist öffentlich publiziert. Seine Spezifikation ist frei verfügbar und darf unentgeltlich kopiert und weitergegeben werden.

5. Es darf keine (z.B. auf Patentansprüchen beruhenden) Einschränkungen geben, die es verhindern würden, den Standard in Software mit irgend einem Lizenzmodell teilweise, vollständig oder mit Erweiterungen zu implementieren.1 Insbesondere ist es eine unzulässige Einschränkung, falls die kommerzielle Nutzung des Standards mit der Entrichtung von Lizenzgebühren verknüpft ist, weil dann keine Implementierung in Freier und Open Source Software (FOSS) möglich ist.

6. Es muss mindestens eine vollständige Implementierung geben, die Freie und Open Source Software (FOSS) im Sinne der Definitionen der Free Software Foundation und Open Source Initiative ist.

7. Falls mit dem Standard beabsichtigt wird, eine frühere Version oder einen anderen älteren Standard zu ersetzen, muss die zuverlässige Übersetzung vom alten zu dem neuen Standard gewährleistet sein.

Erlaubnis, die Definition zu kopieren und zu zitieren

Entwürfe und verabschiedete Fassungen dieser Definition stehen unter der Creative Commons Attribution-No Derivative Works 2.5 Switzerland Lizenz.

1 Es ist möglich, dass die Beurteilung, ob eine Spezifikation ein offener Standard ist, im Hinblick auf verschiedene Länder zu unterschiedlichen Resultaten führt, wenn z.B. die Situation im Hinblick auf Patente unterschiedlich ist.